24.06.2014 - 3 Vereidigung und Amtseinführung des Bürgermeiste...

Beschluss:
zur Kenntnis genommen
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Protokoll:

 

Nachdem sich die Anwesenden von ihren Plätzen erhoben haben, nimmt der Altersvorsitzende, Herr Stv. Franz-Josef Altdorf, die nach der Gemeindeordnung und dem Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vorgeschriebene Vereidigung und Amtseinführung von Herrn Bürgermeister Alfred Sonders durch Nachsprechen folgender Formel vor:

 

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

 

Im Anschluss hieran wird die Niederschrift über die Vereidigung von Herrn Bürgermeister Sonders und Herrn Stv. Altdorf unterzeichnet.

 

Nunmehr übernimmt Herr Bürgermeister Sonders den Vorsitz und richtet zunächst einige persönliche Worte an die Mitglieder des Rates der Stadt sowie an die übrigen Anwesenden.

 

Hiernach hält er die folgende Ansprache (Wortprotokoll):

 

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordneten,

liebe Alsdorferinnen und Alsdorfer,

 

als ich am 25. Mai von der Bürgerschaft gewählt wurde, habe ich mir die Situation, vor der unsere Stadt heute steht, nicht träumen lassen.

Wir stehen vor der größten finanziellen Herausforderung seit Schließung der Grube Anna. Eine Gewerbesteuerrückzahlung an ein Alsdorfer Unternehmen in Höhe von 17,7 Millionen Euro und eine weitere Rückzahlung, deren Höhe wir heute noch nicht kennen, drängt uns an den Rand der finanziellen Handlungsunfähigkeit. Deshalb müssen wir im Anschluss auch eine Erhöhung des Kassenkredites beschließen, damit wir die Zahlungen überhaupt leisten können und keine Verzögerungen eintreten, die weitere hohe Zinszahlungen mit sich bringen.

Rechtlich ist an dem Anspruch nicht zu tippen. Das heißt für uns, wir müssen zahlen. Auch das Finanzamt können wir nicht in Regress nehmen, wie manche meinen. Es hat auf Basis des geltenden Steuerrechtes gehandelt. Wir hoffen allerdings auf die Hilfe des Landes. Und die brauchen wir dringend. 

Insgesamt ist das, was jetzt auf uns zukommt, für uns eine unvorstellbare Dimension.

Ich sage das als Bürgermeister und Behördenleiter, aber ich sage das auch aus ganz persönlicher Sicht. Ich bin menschlich sehr stark getroffen.

Mit einem Schlag wird in Frage gestellt, wofür wir hier im Rat, in der  Verwaltung und auch ich fünf Jahre lang gekämpft haben: die Stadt auf den richtigen Kurs zu bringen, die Finanzen zu ordnen und Alsdorf in ein ruhiges Fahrwasser zu steuern.

Dabei haben wir uns wahrlich keine unangenehme Fragestellung erspart. Ich nenne hier beispielhaft die Steuererhöhungen in erheblichem Ausmaß, die Schließung der Hauptschule oder auch die Zusammenlegung der Grundschulen Kellersberg und Ost, die uns allen wirklich nicht leicht gefallen sind.

Ich bin aber von dieser Vorgehensweise auch nach wie vor überzeugt. Wir haben in der Vergangenheit die Bürger offen und transparent an allen Prozessen der Stadtentwicklung teilhaben lassen und auf Basis unserer Gespräche hier die Entscheidungen getroffen, die notwendig waren. Und genau das wollen wir auch in Zukunft tun. Auch wenn eine Lösung unserer Probleme jetzt in noch weitere Ferne gerückt ist.

Wir waren so weit, die Restprobleme aufzuarbeiten und ab 2017 hätten wir wieder schwarze Zahlen schreiben können. Wir hatten unseren Haushalt auf Armeslänge im grünen Bereich trotz unerwartet anfallender „großer Brocken“ wie z. B. den Neubau der Kita Florianstraße, Mehrkosten in der Jugendhilfe, den Abriss der Schule Ost oder auch Mehrkosten im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Rückzahlung der 17,7 Mio. € und die weiteren möglicherweise anstehenden Rückzahlungen bescheren uns nun aber eine komplett neue Finanzsituation, die vor allen Dingen zwei Problemstellungen mit sich bringt.

  1. Die aktuelle Liquidität und die Auszahlung der Rückerstattung 2003 - 2006 ist zu sichern. Das soll heute in der Ratssitzung mit einer Erhöhung der Kassenkredite sichergestellt werden. Wir können allerdings nur auf die Zahlen reagieren, die uns mittlerweile bekannt sind. Das sind die besagten 17,7 Mio. €.
  2. Es steht die Frage im Mittelpunkt: Wie wirkt sich das Ganze auf die Haushaltsplanung und -wirtschaft der Stadt Alsdorf mittel- und langfristig aus?

Dabei dreht sich erst einmal alles um die Kernfrage: Wie wird mit den Zinsen umgegangen? Gehen die Zinszahlungen völlig zu unseren Lasten? Oder bekommen wir Hilfe. Wir bitten insbesondere das Land um Unterstützung in dieser außergewöhnlichen Situation.

Denn es ist meines Wissens nach einmalig, dass eine Kommune von Gewerbesteuerrückzahlungen in einer Höhe getroffen wird, die ihr die finanzielle Handlungsfähigkeit nehmen kann.

Diesbezüglich finden Gespräche mit dem Finanzministerium statt, dem Minister habe ich einen Brandbrief geschrieben. Ich wiederhole es noch einmal: Unser Fall ist aus meiner Sicht einmalig, denn ich kenne keine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, die unverschuldet in eine solche Haushaltssituation geraten ist.

Denn auch das wiederhole ich   der Stadt Alsdorf ist kein Fehler unterlaufen.

Wir haben auf Basis des Steuermessbetrages, den das Finanzamt ermittelt hat, die Gewerbesteuer für ein Unternehmen rückwirkend neu zu veranlagen.

Natürlich haben wir auch geprüft, inwiefern unsere Bescheide, die vor Jahren veranlagt und verschickt wurden, nicht doch rechtskräftig sind. Rechtlich werden wir hier aber keine Möglichkeit haben, denn die vom Finanzamt festgesetzten Steuermessbeträge sind durch die Stadt  in Gewerbesteuerbescheide umzusetzen. Wir sind hier weder Prüf- noch Entscheidungsinstanz. Diese Aufgabe erfüllen allein die Finanzbehörden.

Ich möchte an dieser Stelle auch etwas anderes klar stellen: Weder dem Unternehmen noch dem Finanzamt kann man an dieser Stelle einen Vorwurf machen. Beide haben sich auf der Grundlage der Deutschen Steuergesetzgebung auseinandergesetzt. Es handelt sich nicht um einen Berechnungsfehler einer Finanzbehörde.

Am Ende des Verfahrens steht ein Anspruch des Unternehmens, dem das Finanzamt Rechnung trägt in Form von neuen Messbescheiden, die wir in Gewerbesteuerbescheide umzusetzen haben.

Das Finanzamt ist auch nicht verpflichtet, uns über solche Vorgänge zu informieren oder uns im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beizuladen, wie seitens des Finanzministeriums am Freitag auch nochmal in der WDR Lokalzeit klargestellt wurde.

Nun ist vor allem die Frage zu klären, welche Summe am Ende bei der Stadt Alsdorf verbleibt und wie viel wir unterm Strich finanzieren müssen. Dann können wir in einem zweiten Schritt versuchen, uns über die haushaltswirtschaftlichen Konsequenzen intern klar zu werden und Lösungen zu suchen, wie wir diese Summe aufbringen können. Alles andere ist zum jetzigen Zeitpunkt wirklich reine Spekulation.

Man kann nicht schon jetzt darüber fabulieren, wo was gekürzt werden muss. Was jetzt zu tun ist, haben wir getan, indem wir die Haushaltssperre verhängt haben. Alle kostenrelevanten Entscheidungen der Stadt können jetzt nur noch geleistet werden, wenn der Kämmerer diese in einer strengen Prüfung als unabweisbar einstuft. Ob dies so bleibt, darüber werden Sie gleich entscheiden.

Gemeinsam mit der Kommunalaufsicht darüber wird Herr Hafers später noch berichten - werden wir in den nächsten Wochen feststellen, welche Beträge wir kompensieren müssen und in welchem Zeitrahmen dies zu tun ist. Dieser Zeitrahmen ist für unsere zukünftige Haushaltsplanung entscheidend, denn von ihm hängt letztlich ab, welchen Betrag wir jährlich kompensieren müssen. Dabei kommt uns zugute, dass ein beachtlicher Teil der Gewerbesteuererstattungen schon im nächsten Jahr dadurch kompensiert wird, dass wir aufgrund der nun rapide gesunkenen Steuerkraft der Stadt Alsdorf vom Land in 2015 und 2016 bedeutend mehr Schlüsselzuweisungen erhalten und an die Umlageverbände weniger Umlagen abführen müssen. Dennoch werden einige Millionen an uns hängen bleiben. Wie viel, können wir erst dann sagen, wenn wir die für den Haushalt notwendigen Orientierungsdaten des Landes erhalten.

Was sind also jetzt die nächsten Schritte?

Wie schon gesagt: wir müssen zunächst die Zahlen bewerten, im Abstimmungsgespräch mit der Aufsicht und dem Ministerium klären, was konkret an Zahlungen bei uns verbleibt. Kurzum: Wir tun alles, um die Summe, die die Stadt Alsdorf zahlen muss, zu minimieren und möglichst viel Zeit zu gewinnen, um diese Beträge haushaltsmäßig so zu verarbeiten, dass es nicht zu großen Verwerfungen kommt. Grundsätzlich bleibt auch unser Ziel, im normalen Haushalt ab 2017 wieder ein strukturelles Plus zu erwirtschaften unangetastet, auch wenn wir jetzt eine Altlast über mehrere Jahre abarbeiten müssen.

Für mich steht nach dem ersten Schock vor allem eines fest: Wir werden diesen Kampf aufnehmen und uns den Problemen stellen. Den Kopf in den Sand stecken – das können wir uns alle nicht leisten. Die Alsdorferinnen und Alsdorfer erwarten Lösungsansätze von uns. Wir haben in dieser Stadt in der Vergangenheit vieles wegstecken müssen. Vom Ende des Bergbaus über einen Jahrzehnte andauernden Strukturwandel bis hin zum Weggang von Mitsubishi nach dem Wegfall der Bindungsfristen für die Fördergelder. Lassen Sie es mich so sagen: Die Alsdorferinnen und Alsdorfer sind leidgeprüft, aber auch sturmerprobt. Wir werden nach dem ersten Schock den Problemen deshalb auch jetzt die Stirn bieten.

 

Wichtig ist: Begonnene Investitionen können fortgesetzt werden. Das heißt, wir können unser Ziel, hin zu der Familien- und Bildungsstadt, auch weiterhin verfolgen. Unser KuBiZ wird gebaut. Die Kita Florianstraße wird ebenfalls gebaut. Wir haben keinen Stillstand bei den wichtigsten städtischen Maßnahmen. Das gilt auch für den Sportplatz an der Gesamtschule.

 

Wir werden den Weg der vergangenen fünf Jahre weiter gehen: Alsdorf weiter voran zu bringen. Vieles hat sich bereits zum Guten entwickelt; das haben auch die Alsdorferinnen und Alsdorfer wahrgenommen, ebenso wie sie ihre Stadt als sauberer empfinden. Die Innenstadt ist durchsaniert und hat sich zu einem Zentrum gemausert, das man durchaus vorzeigen kann, - auch wenn der Einzelhandel noch Entwicklungspotential hat. Immerhin haben wir mit dem Stadtplatz- und dem Stadttorprojekt zwei weitere Entwicklungsprojekte für das Zentrum auf den Weg gebracht und zahlreiche Investoren warten auf unsere neuen Leitlinien für die Entwicklung der Stadtmitte, die wir auf Basis der Ideen von Studenten dreier Hochschulen gemeinsam erarbeiten wollen. Mit dem Projekt „Soziale Stadt“ haben wir Millionen an Fördergeldern nach Alsdorf geholt. Davon profitieren auch alle.

 

Die Finanzen waren nach jahrzehntelanger Durststrecke geordnet. Ich habe es eben schon angesprochen. Wir haben Schulen großflächig mit Ganztagsangeboten ausgestattet, Familienzentren an den richtigen Stellen aufgebaut. Das KuBiZ löst die baulichen Probleme an Gymnasium und Realschule. Unser Gymnasium ist Träger des Deutschen Schulpreises.

 

Wir haben mit den Bürgerinnen und Bürgern einen Dialog begonnen, der bis heute anhält und der mir auch in Zukunft besonders wichtig ist. Es ist Ihre Stadt, die Stadt einer jeden Alsdorferin, eines jeden Alsdorfers. Und deshalb lege ich großen Wert darauf, die Dinge mit Ihnen gemeinsam zu bewegen, wo immer es nur geht. Wir haben gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Leitbild für unsere Stadt erarbeitet mit Zielen, die wir Schritt für Schritt auch nach wie vor weiter umsetzen wollen. Wir haben Stadtteilgespräche initiiert, um vor Ort zu hören, wo der Schuh drückt und um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Einiges ist auch hiervon bereits realisiert worden.

 

All das macht mir trotz aller Probleme Mut. Die Alsdorferinnen und Alsdorfer engagieren sich für ihre Stadt. Sie haben mir ein zweites Mal den Auftrag gegeben, das ebenfalls zu tun. Und genau das habe ich auch vor. Allen Schwierigkeiten zum Trotz. Denn ich weiß auch: Ich muss es nicht alleine tun.

 

Ich möchte an Sie alle appellieren, an die Bürgerinnen und Bürger, an Rat und Verwaltung: Stehen wir zusammen. Wir können es gemeinsam schaffen, Alsdorf auch weiterhin auf Kurs zu halten, auch wenn das jetzt wieder schwieriger wird.

 

Zum Schluss möchte ich eines nicht vergessen: Ich möchte mich für das überwältigende Votum bedanken, mit dem mich die Bürgerschaft ein zweites Mal an die Spitze unserer Gemeinde gestellt hat. Das ist ein Vertrauensbeweis, der mich ehrt, den ich allerdings auch als Verpflichtung verstehe. Ich will mich Ihres erneuten Vertrauens würdig erweisen – auch wenn ich weiß, dass die Aufgaben, die vor uns liegen, nicht leicht zu lösen sind und ich bitte Sie alle: helfen Sie dabei.“

 

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